Geschichte der Gemeinde Stockheim/Unterfranken

Die Chronik der Gemeinde Stockheim erhalten sie in der VG Mellrichstadt (Hauptstr. 4, 97638 Mellrichstadt) oder bei Herrn Peter Storath (97640 Stockheim)
Stockheim, heute ein schmuckes Dorf der Verwaltungsgemeinschaft Mellrichstadt, ist von alters her mit Amt und Zentgericht Mellrichstadt verbunden. In der fränkischen Geschichte wird der Ort Stockheim schon um das Jahr 472 als bestehend erwähnt. Das Dorf Stockheim scheint bei Einwanderung der Franken, durch seinen Gründer Stock, schon gegründet worden zu sein.
Erstmals wird Stockheim in einer Urkunde aus dem Jahr 779 über die Schenkung eines Arndeo an das Kloster Fulda erwähnt. Das Kloster Fulda erwarb auch im folgenden Jahrhundert durch Tausch und Schenkungen weiteren Grundbesitz, konnte diesen aber nicht zu geschlossenen Banngrundherrschaften ausbauen.
Kaiser Otto II. überließ 979 das Königsgut in Stockheim dem Bischof von Würzburg. 1230 kam Henneberger Besitz, nämlich die Herrschaften Hiltenberg und Lichtenberg, durch Verkäufe Otto II. von Hiltenberg-Botenlauben an Würzburg und Anfang 1234 verkaufe der Vater Ottos II. die Herrschaft Botenlauben an das Stift.
Im gleichen Jahr übertrug die Gemahlin Ottos I., Betrix von Courtenay den Würzburger Domherren Güter, Rechte und Zinsen in Stockheim, so dass Stockheim nun als ”Capitels-Dorf bei Mellerstadt” bezeichnet wird, über das die Domherren die Vogtei ausüben.
So gewann Würzburg unaufhörlich an Boden im Grabfeld und drängte den Einfluss der Henneberger zurück.
Die Grafen von Henneberg hatten eine eigene Burg zu Stockheim, welche die Nachkommen des Vasallen Frick zu Lehen trugen und sich ”von Stockheim” nannten. Dieses Geschlecht scheint bald ausgestorben zu sein, denn im 14. Jahrhundert war die Burg nebst Zubehör bereits in anderen Hände.
In einer Henneberger Urkunde steht folgendes: ”1400,25.Mai, bekannten Eberhard Fuchs von Stockheim, Dietrich Fuchs Ritter und Amtmann zu Eltmann und Kunz Fuchs von Wonfurt, dass sie vom Grafen Heinrich von Henneberg zu Lehen empfangen, ihre Burg zu Stockheim und das Vorwerk daselbst und was darin gehört, besucht und unbesucht zu Dorf und Feld nichts ausgenommen.”
Die Burg stand zwischen der Kirche und Pfarrhaus. Der Platz, auf dem 1831-32 das Pfarrhaus erbaut worden war, nebst der Kirche und Schule mit einer Ringmauer, Türmen und einem Tor umgeben, worin sich Keller, Gefängnisse und verschiedene Gebäudlichkeiten befanden und zusammen ”der Zwinger” genannt wurde. Ein viereckiger Turm von der Höhe des Kirchturms ”Uhrturm genannt” stand an Stelle des jetzigen Pfarrhauses. In der Gegend der Sakristei stand ein zweiter Turm. An der Südseite war der Zwinger mit einem Tore abgeschlossen, welches 1860 beim Kirchenbau entfernt wurde. Südlich und in der Nähe des Zwingers befand sich das so genannte ”Vorwerk” des Pächters oder Fronhof mit 2 großen Scheunen und Gütern. Als Stockheim an das Domkapitel Würzburg kam, scheint diese Burg wenig mehr bewohnt und daher immer mehr verfallen zu sein.
Der Bischof von Würzburg nahm eine herzogähnliche Funktion auf der Grundlage seiner Herrschaft über die Zenten, die Hochgerichtsbezirke ein. Er verfügte als Landesherr über Stockheim, das er 1435-1480 an den Grafen Georg von Henneberg verpfändete, musste aber die ”Anteilseigner" am Stockheimer Steueraufkommen, also die Würzburger Domherren, durch Abtretung anderer bischöflicher Einnahmen entschädigen.
Die Domherren konnten rechnen, sie wachten über ihre Einnahmen. In ihrem Namen übte ein Schultheiß im wiedergewonnenen Dorf die Patrimonialgerichtsbarkeit aus, und dazu hatten die Domherren eigens eine ”Dorfordnung” erlassen.
Der Gesamtzehent wurde im Namen des Fürstbischofs erhoben und stand den Domherren zu.
Das Zehnthaus, in dem das Steuergetreide aufgeschüttet wurde, ist ein stattlicher Fachwerkbau aus dem 17. Jahrhundert wurde 1987 generalrenoviert und ist heute das ”Wahrzeichen” und Rathaus von Stockheim.
Stockheim selbst war mit einer Mauer und mehreren Türmen befestigt, auch hatte es 2 feste Tore, die aber in der neueren Zeit entfernt worden sind.
Vom unteren Tor wurde das Torhäuschen abgenommen und bei der Mittelmühle wieder aufgebaut.
2 Mauertürme sind nach ihrer Restauration noch vorhanden und gut erhalten. Der dritte Mauerturm befand sich in der unteren Mühle, der sogenannte Nesenturm, war ehemals Weibergefängnis und ist nicht mehr vorhanden.
An der inneren Seite der Dorfmauer ging ein Weg entlang und nannte sich ”Gässchen”. Außerhalb befand sich eine dichte Hecke, welche zwei mal im Jahr geschnitten wurde. An der Hecke entlang zog sich der Wallgraben, dieser bestand aus 4 Abschnitten. Der Hirtengraben begann am oberen Tor und verlief bis zur Mittelmühle, von da zog der Braugraben die Streu entlang bis zur Unteren Mühle. Von der Streu bis zum Unteren Tor zog der Körteles oder Karlsgraben und vom Unteren Tor der Nordseite des Dorfes entlang ging der Dorfgraben. Die Ältesten erwähnten Gassen sind: Untere Gasse, die Hohe Gasse, das Steinig, die Steintreppe, das Gässlein, der Tanzberg und die krumme Gasse.
Beim Fronhof befand sich auch der frühere Fürstbischöfliche Fruchtspeicher, in dem das ausgedroschene Zehntgetreide gelagert wurde. Die Zufahrt zu diesem Fruchtspeicher führte vom Fronhof aus durch den Grasgarten. Dieser Fruchtspeicher war im Laufe der Zeiten Plüschwebschule, Getreidespeicher, Lazarett, Perlmuttknopffabrik. Nach Restaurierung in Privatbesitz.
Vieles hat Stockheim im dreißigjährigen Krieg mitgemacht. Als die Schweden anrückten, wurden die Gemeinderäte, die sich vor dem Ortseingang versammelt hatten, grausam niedergemacht, das Dorf geplündert und gebrandschatzt. 120 Häuser und Scheunen wurden zerstört. Im Jahre 1643 führten die Truppen des Oberst Balzer die Einwohner fort, soweit sie noch nicht mit Vieh und Habe geflohen waren. Allein in den Wochen von Weihnachten 1636 bis Lichtmeß 1637 starben 150 Personen durch Hunger, Folter oder Erfrieren in ihren Verstecken. 1637 banden die Schweden den Pfarrer auf einen Karren und führten ihn weg. In der Nähe von Meiningen fand man ihn erfroren auf.
Am 26. Januar 1647 fielen erneut die Truppen unter Generalmajor Wrangel in Stockheim ein. Dieses Elend musste 20 Jahre lang ertragen werden. Während der Kriegszeit wurde in Stockheim nichts aufgebaut. Nach dem Krieg wurden die beschädigten Häuser nach und nach renoviert und neue aufgebaut. Im Jahre 1694 war der Aufbau abgeschlossen.
Am 17. November 1723 wurde die Linde am Tanzberg durch Johann Georg Albert eingesetzt, danach von Bräutigam Jakob Zirk und Braut Margarethe Krieg das erste Mal umtanzt. 1857 wurde diese Linde umgehauen. Sie war so stark, dass Schreinermeister Johann Link 60 Bretter daraus machen konnte.
Die Kirche Stockheims, ehemals ein kleines Filialkirchlein, 1375 zur Pfarrkirche erhoben, dem hl. Vitus geweiht, wurde vor 100 Jahren erweitert und vor einigen Jahren im Innern völlig umgestaltet. Wenn vom alten Kirchlein gesagt war: ”Kirche ist finster, Sakristei gar finster” so ermessen wir den Wandel, der sich in unserem schönen Gotteshaus vollzogen hat. Ähnlich änderte sich das Gesicht des Schulhauses, das von einer ”Schafferhütte” aufwuchs und 1951 zu einem modernen Schulgebäude wurde.
Zwei Kapellen hat die Gemeinde, die Kreuzkapelle am Fuße des Wellbergs und die kleine Armenseelenkapelle an der B 285 gegenüber der Abzweigung nach Willmars.
Die Kreuzkapelle stand ursprünglich am Ortseingang nahe der Streu. Während der Renovierung der Dorfkirche im Jahre 1685/86 wurde darin der Pfarrgottesdienst gehalten. Rund Hundert Jahre später 1783 fiel die alte Kapelle, deren Baujahr unbekannt ist, der Spitzhacke zum Opfer. Es vergingen wieder hundert Jahre bis sie 1886 an jetziger Stelle wieder errichtet wurde.
Sagenumwoben ist die Armenseelenkapelle. Es heißt, dass da, wo sie steht, Graf Poppo, der Henneberger, auf dem Wege zur Lichtenburg den schweren Wunden erlegen sei, die der Tapfere in der Schlacht am Blutgraben bei Oberstreu am 7. August 1078 in der er für seinen König Heinrich IV. stritt, erhalten hatte. Seine Söhne sollen zum Gedächtnis die Kapelle errichtet haben.
Die merkwürdigsten Bauten unseres Dorfes, über deren Alter und Bedeutung nur Vermutungen bestehen, sind die sog. Kimaten d.h. Kemenaten, mittelalterliche steinerne Wohntürme. Sie könnten ehemals als feuersichere Vorratshäuser gedient haben.
Im 18. Jahrhundert entwickelte sich ein blühendes Strumpfstrickgewerbe, das seine Erzeugnisse teilweise auf Schubkarren bis nach Nürnberg und Bamberg vertrieb. Berühmt waren die ”Stockemer Stömpf", eine strumpfartige ZipfeIkappe. Die Strickmaschine machte die Strumpfwirker wieder brotlos, bis in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Lehrwerkstätte für Handplüschweberei nochmals kurzen wirtschaftlichen Aufschwung ins Dorf brachte.
Von alters her sind die Stockheimer dem Frohsinn, dem Fest und der Feier aufgeschlossen. In den Spinnstuben hatte die Geselligkeit eine Heimstatt. Hier wurden die alten Volkslieder gesungen, hier spann und stickte man, flocht Körbe, spielte und scherzte. Auf dem Tanzberg, einem weiträumigen Platz in der Mitte des Dorfes, wurde bei feierlichen Hochzeiten der Brauttanz um die Linde getanzt und manch anderes Fest gefeiert. Die Fastnachtsspiele lockten viele auswärtige Gäste an.
Im Gefolge der beiden Weltkriege, die von unserem Dorf einen hohen Blutzoll forderten, (nahezu 100 Gefallene und Vermisste), musste wieder manche äußere und innere Not gemeistert werden. Viele Heimatvertriebene fanden hier eine zweite Heimat.
Das alte Dorf ist gewachsen. Noch einmal hatte ein Großfeuer im September 1929 zehn Wohnhäuser, 23 Scheunen mit sämtlichen Nebengebäuden verbrannt. Der idyllisch an dem Flüsschen Streu gelegene Ort hat sich in den letzten Jahren vermehrt dem Fremdenverkehr zugewandt. So werden neben gemütlichen Gasthöfen, Privatzimmern und Ferienwohnungen auch spezielle Urlaubsprogramme für Reiter angeboten.
Die Bevölkerung ist im Gegensatz zu früher nur noch in der Minderzahl bäuerlich geprägt. Ein bis vor wenigen Jahren ansässiges großes Säge- und Furnierwerk, das über hundert Familien Arbeit und Brot gab, musste leider stillgelegt werden. Auch eine Knopffabrik mit vielen Arbeitern existiert nicht mehr. An dessen Stelle wurden kleinere Handwerksbetriebe, die sich mit Holzverarbeitung befassen, Gartenbau, Autohäuser, Kleingewerbetreibende usw. angesiedelt.
Peter Storath
(Archivpfleger)